Lenny Castellanos | Fraunhofer ISIT

MEMS-Ultraschallwandler von Fraunhofer für die Produktionstechnik von morgen

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ISIT-Wissenschaftler Lenny Castellanos im MEMS-Elektronik-Labor

Die meisten Menschen kennen Ultraschalluntersuchungen aus der Medizin. Aber auch in der Industrie wird die Ultraschalltechnologie für ein breites Anwendungsspektrum genutzt.

 

Die industrielle Massenproduktion legt einen sehr hohen Wert auf Automatisierung und Prozesssteuerung. Nur dadurch wird sichergestellt, dass die Produkte für den Verkauf qualitativ geeignet sind. Außerdem lassen sich so nicht nur mögliche Gefährdungen der Einrichtung verhindern, sondern auch Produktionskosten sparen, indem weniger defekte Teile hergestellt werden. Angesichts dessen, und im Hinblick auf die Industrie 4.0-Strategie, sind sensitivere, genauere und kostengünstigere Sensoren ein wichtiger Baustein in der Produktionstechnik. Zusätzlich spielt die Miniaturisierung aufgrund ihrer Vorteile hinsichtlich der Portabilität, einer möglichen Modularisierung von Designs, Vernetzung und Integrierbarkeit eine zunehmende Rolle. Die MEMS-Technologie (MicroElectroMechanicalSystems) ermöglicht die Realisierung dieser Ziele und ist durch die Zuverlässigkeit der Ultraschallsensorik gleichzeitig in der Lage, die Anforderungen der Industrie abzudecken.

Ultraschall-Messprinzip

Die Ultraschalltechnologie umfasst ein breites und wachsendes Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten, die in der Industrie einen Einsatz bei der Überwachung und Steuerung von Prozessen finden. Diese basieren auf dem Prinzip der Reflexion und/oder Transmission von Schallwellen in einer Ausbreitungsumgebung. Wird beispielsweise eine Schallwelle quer über einen Strömungskanal transmittiert, so kann die Strömungsgeschwindigkeit mit hoher Genauigkeit bestimmt werden. 
Darüber hinaus lässt sich beispielsweise die Position eines Objekts im Raum erfassen, indem eine von dem Objekt reflektierte Welle wieder empfangen wird. Dazu soll nur die Laufzeit der Welle gemessen werden, d.h. die Zeit, in der sich die Welle zwischen zwei Positionen im Raum ausbreitet. Transmission und Ausbreitung sind außerdem in unterschiedlichen Medien wie Wasser, Luft oder sogar in Metallen möglich, wobei der Übergang zwischen zwei Medien (z.B. von Luft zum Wasser), zu Reflexionen führen kann. Diese Gesetzmäßigkeit erlaubt den uneingeschränkten Einsatz von Ultraschallwellen unabhängig von Lichtbedingung, Farbe und Transparenz von Hindernissen, wo z.B. optische Sensoren Schwächen zeigen. 

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Piezoelektrische Ultraschall-Arrays mit 80 MHz Mittenfrequenz (PMUT)
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MEMS-Ultraschall-Array für luftgeführten Ultraschall

Anwendungsbeispiele

In der Industrie werden Ultraschallgeräte eingesetzt, um beispielsweise den Füllstand von Wasserbehältern zu bestimmen, in dem der Abstand zwischen Sensor und Wasseroberfläche gemessen wird. Auch Einparkhilfen in Autos nutzen Ultraschall. Sie messen die Entfernung zwischen dem Sensor und möglichen Hindernissen wie beispielsweise Bordsteinen, Passanten oder Fahrzeugen. Das Konzept der Orientierung mittels Echoortung von Ultraschall wird auch für andere Fahr- und Flugobjekte genutzt, etwa für selbstfahrende Roboter oder für autonom fliegende Drohnen.

Die drei verschiedenen Fraunhofer-Institute (ENAS, IPMS und ISIT) entwickeln für ein breites Anwendungsspektrum Ultraschallwandler, die hochfrequente Schallwellen mit einem hohen Schalldruck erzeugen können.

Bauweise / Funktion / USP

Kern der Ultraschallsensorik der Fraunhofer-Allianz sind MEMS-Schwinger, die mit Verfahren der Halbleiterfertigung hergestellt werden. Die Bauelemente, sog. mikromechanische Ultraschallwandler (MUT für Micromachined Ultrasonic Transducer), bestehen aus mikroskopisch kleinen membranähnlichen Strukturen, die auf sog. Silizium-Wafern gefertigt werden. Diese Wandler werden entweder kapazitiv oder piezoelektrisch angetrieben, sodass beim Anlegen einer elektrischen Wechselspannung eine mechanische Kraft entsteht, die die Wandler in Schwingung versetzt. Die Bauelemente erzeugen so hochfrequente Schwingungen, die das umgebende Medium lokal und wechselhaft komprimieren und somit Schallwellen erzeugen. Je stärker die Schwingung, desto intensiver ist die Ultraschallwelle. Mit den in der Fraunhofer MUT-Allianz entwickelten leistungsfähigen Wandlern lassen sich hocheffiziente Ultraschallsensoren realisieren.

Typisch bei MUTs ist die Nutzung der Resonanz, um noch stärkere Schwingungsamplituden zu erzeugen. Diese tritt bei einer gewissen Anregungsfrequenz auf, die hauptsächlich von der Geometrie des Wandlers und den Materialeigenschaften abhängig ist. Die Anregungsfrequenz hat aber auch einen Einfluss auf die Reichweite der Schallwelle, da der Schall bei sehr hohen Frequenzen stark vom Medium absorbiert wird, und die Intensität nachlässt. Mit den MEMS-basierten Schallerregern kann in der Fraunhofer-Allianz die Anregungsfrequenz leicht an die Kundenanforderung angepasst und so für die Kunden ein optimales Design der Bauelemente gefunden werden.

Aufgrund der kompakten Geometrien und des niedrigen Gewichtes der MEMS-Schallwandler sind die von Fraunhofer gefertigten Wandler leicht in verschiedenen Aufbauten zu montieren. Außerdem können sie dank der etablierten Halbleiter-Fertigungsprozesse problemlos mit der notwendigen Ansteuerelektronik integriert werden.

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ISIT-Wissenschaftler Lenny Castellanos im MEMS-Elektronik-Labor

Entwicklungspotentiale

Die Fraunhofer-Ultraschallwandler bieten für die Messgerätehersteller noch weitere Vorteile. Werden verschiedene Bauelemente nah beieinander angeordnet, so dass eine Array-Anordnung entsteht, eröffnet sich eine ganze Reihe neuer Anwendungsmöglichkeiten. Auf diese Weise können beispielsweise die Positionen von Objekten zuverlässig im drei-dimensionalen Raum abgebildet werden, indem die mit unterschiedlichen Laufzeiten empfangenen Signale mit der Lage jedes einzelnen Wandlers korreliert werden (Beam Forming). Andererseits ist es auch möglich, das Senden einer Ultraschallwelle so auszurichten, dass sie auf genau einen gezielten Punkt im Raum trifft (Beam Steering).

 

Das Thema Ultraschallsensorik ist für die Fraunhofer-Gesellschaft also längst noch nicht abgeschlossen und wird noch lange Gegenstand von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sein.