Polysilizium MEMS Technologieplattform

Die Technologieplattform PSM-X2 verwendet zur Erzeugung von statischen und beweglichen Sensorstrukturen eine stressarme, 10-30 µm dicke Polysiliziumschicht. Durch Verwendung von hochauflösender Lithographie können minimale Strukturbreiten bis 0.5 µm realisiert werden.

Für die kapazitive Detektion von Bewegungen senkrecht zur Ebene sind zusätzlich Gegenelektroden implementiert. Das gibt die Möglichkeit auch sog. out-of-plane Bewegungen anzuregen und zu detektieren. Additive, funktionelle Schichten erhöhen die Zuverlässigkeit und Robustheit des MEMS Elements (z.B. Anti-Stiction, Schockfestigkeit).

Im Prozess ist eine Verkapselung der Baulemente auf Wafer-Ebene integriert. Die feste Verbindung von Sensor- und Deckelwafer, das sog. Wafer-Level Packaging, wird hier durch ein Gold-Silizium Eutektikum bei rund 400°C erzeugt. Dabei sorgt der metallische Bondrahmen für eine hermetische Abdichtung, so dass der beim Verbindungsprozess eingestellte Druck über die gesamte Lebensdauer erhalten bleibt.

Durch Integration einer Getterschicht kann ein Innendruck von bis zu 10-6 bar erreicht werden. Die Verwendung der neuartigen Multi Pressure WLP Technology erlaubt die Einstellung von unterschiedlichen Kavitätsinnendrücken auf Waferebene. Verwendung findet die PSM-X2 Plattform derzeit im Bereich der Inertialsensorik, der Mikrospiegel sowie Elektronen-optischen Ablenkeinheiten.

Das Fraunhofer ISIT hat eine innovative Herstellungstechnologie zur Herstellung von leistungsfähigen MEMS Scannern entwickelt, den so genannte „Zweilagen-EpiPolysilizium-Prozess“. In Anlehnung an die schon bereits bestens am ISIT etablierte Herstellungstechnologie PSM-X2 für Inertialsensoren werden die Scanner aus zwei 30 µm dicken Epipoly-Siliziumschichten strukturiert. Auf diese Weise können höhenversetzte Fingerelektroden realisiert werden, die sowohl zum elektrostatischen Antrieb der Scanner als auch zur kapazitiven Positionsdetektion der Spiegelstellung benutzt werden können.

Dank seiner herausragenden Eigenschaften ist Polysilizium (Poly-Si) eines der wichtigsten Materialien zur Herstellung freistehender, beweglicher Mikrostrukturen für MEMS. Standardprozesse der Halbleitertechnologie können es jedoch nur in Dicken von wenigen Mikrometern bereitstellen, was für viele Anwendungen nicht ausreichend ist. Am Fraunhofer ISIT wurde aus diesem Grund die Herstellung dicker Poly-Si-Schichten in einem Epitaxiereaktor etabliert. Neben dem dicken Poly-Si gehören noch mehrere zur Herstellung der freistehenden Mikrostruktur erforderliche LPCVD-Schichten zum Kern der EpiPoly-Technologieplattform.

 

 

 

Material

mögl. Dicken

typ. Dicke

elektrischer Widerstand

typ. Funktion

Epi-Poly-

Silizium

1…40 µm

  < 10 mΩ×cm freistehende Mikro-struktur

LPCVD-Poly-

Silizium

≤ 1 µm

0.5 µm < 1 mΩ×cm Umverdrahtung unter dem Epi-Poly

LPCVD-

Siliziumoxid

≤ 2 µm

    div. Isolationsschichten oder Opferschicht

 

Abb. 1: REM-Aufnahme der freistehenden Struktur eines Drehratensensors, bestehend aus 10 µm dickem Epi-Poly-Si (oben), sowie ein schematischer Querschnitt durch einen Stack aus zwei Si-Substraten mit hermetisch verkapselten Drehraten- und Beschleunigungs-Sensoren (unten).

Die REM-Aufnahme in Abb. 1 zeigt die 11 µm dicke, freistehende EpiPoly-Sensorstruktur eines Drehratensensors. Durch Kammelektroden aus demselben EpiPoly-Si, deren eine Seite auf dem Substrat fixiert ist, wird die Sensorstruktur elektrostatisch zum resonanten Schwingen in der Ebene angeregt. Wirkt eine Winkelbeschleunigung auf die Sensorstruktur, wird diese zusätzlich noch zum Schwingen senkrecht zur Ebene angeregt. Mittels unterhalb der Sensorstruktur befindlicher Elektroden aus dünnem LPVD-Poly-Si, den Out-of-plane Electrodes im Querschnittsbild, kann diese Schwingung kapazitiv detektiert werden. Der Spalt zwischen den Out-of-plane-Elektroden und der beweglichen EpiPoly-Sensorstruktur entsteht durch Herausätzen einer ursprünglich dazwischen befindlichen LPCVD-Siliziumoxid-Schicht in HF-Gasphase. Durch Aufbonden eines weiteren Si-Substrats mit geätzten Kavitäten und darin integriertem Getterfilm werden die freigestellten Sensorstrukturen hermetisch verkapselt, siehe Querschnittsbild. Eine exklusive, patentierte Technik des ISIT erlaubt es, unterschiedliche Gasdrücke in benachbarten Kavitäten einzustellen. Das ermöglicht eine hochintegrierte, präzise und kostengünstige Fertigung von IMUs (Inertial Measurement Units) mit Beschleunigungs- und Drehratensensoren auf ein und demselben Chip.

 

 

 

Abb. 2: Schematischer Querschnitt durch einen elektrostatisch betätigten, zweiachsigen MEMS-Scanner, hergestellt unter Verwendung zweier Epi-Poly-Schichten (links), und Foto eines unter Vakuum verkapselten, einachsigen Exemplars mit 3D-Glasdeckel (rechts).

Abb. 2 links zeigt den schematischen Querschnitt durch einen elektrostatisch betätigten, zweiachsigen MEMS-Scanner, für dessen Antriebs- bzw. Sensing-Elektroden zwei jeweils 40 µm dicke EpiPoly-Schichten verwendet wurden. Diese bilden auch die Spiegelplatte, die dank 80 µm Gesamtdicke ausserordentlich steif ist, und sich auch bei Durchmessern im mm-Bereich im Betrieb nicht verformt. Im Gegensatz zu den Inertialsensoren wird die bewegliche Struktur durch Entfernen des darunter befindlichen Substrates von dessen Rückseite her freigestellt. Eine Opferschicht ist nicht erforderlich. Auch die MEMS-Scanner können bei Bedarf hermetisch verkapselt werden. Das Foto in Abb. 2 rechts zeigt einen einachsigen MEMS-Scanner mit dreidimensional geformtem Glasdeckel und einem Boden aus Silizium. Ein Gettermaterial auf dem Si-Boden sorgt auch für ein stabiles Vakuum innerhalb der abgeschlossenen Kavität. Dank des Vakuums kann der Scanner mit sehr geringen Spannungen zum resonanten Schwingen angeregt werden. Die Verbindung von MEMS-, Deckel- und Boden-Substrat erfolgt in einem einzigen Bondprozeß. Eine Beschreibung der verschiedenen Bondverfahren zur Verkapselung von MEMS-Bauelementen sowie der 3D-Glastechnologie, einer weiteren exklusiven Technik des ISIT, ist im Bereich "MEMS-Fertigungsprozesse" zu finden.

 

 

 

Durch Kombination der EpiPoly-Technologieplattform mit anderen Technologieplattformen lassen sich deren Anwendungsmöglichkeiten außerordentlich erweitern. Unter Verwendung der Piezo-MEMS-Technologieplattform können z. B. auch piezoelektisch betätigte Scanner hergestellt werden. Scanner mit PZT-basiertem Antrieb können dank der sehr großen Kräfte auch an Luft leicht zum Schwingen angeregt werden. AlN- und AlScN-basierte Scanner lassen sich quasistatisch betreiben. Mittels der PowderMEMS-Technologieplattform können auf Substratebene NdFeB-Mikromagnete in der beweglichen Struktur eines Scanners integriert werden. Scanner solcher Art lassen sich durch die elektromagnetischen Felder externer Spulen anregen. Auch hier sind große Kräfte und ein Betrieb im quasistatischen Modus möglich. Zudem kommt das eigentliche MEMS-Bauelement ganz ohne elektrische Anschlüsse aus, was dessen Herstellung erheblich vereinfacht.