Sven Grünzig & Thorsten Giese

Elektrische Ansteuerung von MEMS-Lautsprechern

Ein Schwerpunkt am Fraunhofer ISIT bildet die Entwicklung von hochminiaturisierten MEMS-Lautsprechern u. a. für Augmented Reality, Hearables, drahtlose Kopfhörer und Hörgeräte. Neben der Entwicklung und Fertigung der eigentlichen MEMS-Komponenten liegt ein zentraler Aspekt in der Realisierung geeigneter Ansteuerelektroniken. In der Gruppe "Akustische Systeme und Mikroantriebe" wurde hierfür ein neues Development-Kit entwickelt.

Abb. 1: Klangkurve eines MEMS-Lautsprechers mit Zielkurve
Abb. 2: Blockschaltbild des Audio-Signalpfades
Abb. 3: Realisiertes Development Kit zur Ansteuerung der MEMS-Lautsprecher

Aufgrund des piezoelektrischen Antriebs und den daraus folgenden elektro-mechanischen Eigenschaften besitzen die MEMS-Lautsprecher ein anderes Verhalten als herkömmliche elektro-dynamische Lautsprecher. Diesen Unterschieden ist durch eine spezielle Ansteuerelektronik zu begegnen, um das volle Potential der MEMS-Lautsprecher ausspielen zu können.

Die Klangeigenschaften eines jeden Lautsprechers werden u. a. durch die Übertragungsfunktion im Frequenzbereich beurteilt. Diese Übertragungsfunktion gibt den Schalldruckpegel (SPL) in Abhängigkeit der jeweiligen Frequenz wieder. In Abbildung 1 ist eine solche Übertragungsfunktion dargestellt und zeigt die Klangkurve eines MEMS-Lautsprechers ohne akustische Anpassung der Musikdaten (blau).  Gemessen wurde mit einem IEC 60318-4 Ohrsimulator der Firma G.R.A.S, der das menschliche Ohr nachempfindet. Deutlich zu erkennen ist die mechanische Resonanz bei 9 kHz, die zu einer signifikanten Erhöhung der akustischen Amplitude und damit zu Verzerrungen führt. Zum Erreichen der Zielkurve (gestrichelte Linie) wird eine Vorfilterung der Musikdaten vorgenommen, die mit dem Development-Kit realisiert wird.

Aufgabe dieser Elektronik ist es, die Musikdaten über ein Bluetooth-Modul von einem Handy oder einem anderen Sender zu empfangen und anschließend in das digitale Audiodatenformat I2S umzuwandeln (siehe Abbildung 2). Die Daten werden erst direkt vor der Ansteuerung der MEMS-Speaker von der digitalen in die analoge Domäne übergeben, was Beeinträchtigungen des Audiosignals durch äußere Störeinflüsse und Rauschen minimiert. Zudem bietet das Development Kit die Möglichkeit, nicht nur MEMS-Lautsprecher mit den bisher verwendeten piezoelektrischen PZT-Schichten, sondern auch solche mit dem neuen Hochleistungsmaterial AlScN anzusteuern, welches eine modifizierte Endstufe notwendig macht.

Die Musikdaten werden in Echtzeit durch FPGA-basierte Hardware so vorverzerrt, dass akustisch z. B. die Harman-Klangkurve oder andere Klangkurven erreicht werden. Über besonders effiziente digitale Vortreiber- und Endstufen und eine abschließende Tiefpassfilterung werden die MEMS-Lautsprecher angesteuert und erzeugen so ihren druckvollen und klaren Klang. Durch die Realisierung dieses Development-Kits steht der Gruppe ein Mittel zur weiteren Charakterisierung und Optimierung unterschiedlicher MEMS-Lautsprecher zur Verfügung und stellt die Basis für eine hochintegrierte Ansteuer- und Treiberelektronik dar.