Dr. Björn Gojdka & Sven Grünzig

Energie ernten für grüne Mikroelektronik

Acht Milliarden Geräte waren Ende 2019 mit dem Internet der Dinge verbunden, ohne PCs, Laptops oder Smartphones. Tendenz stark steigend: Im Jahr 2025 sollen es bereits 20 Milliarden sein. „Eine große Herausforderung, die in den nächsten 20 Jahren vor uns liegt, ist die Reduzierung des Energieverbrauchs des Internet der Dinge durch die Gestaltung von Devices, die jede denkbare Energiequelle wie Vibration, Wärme und Licht nutzen“, resümiert der Experte Professor Dauskardt von der Stanford University. Neben dem Internet der Dinge gibt es viele weitere Anwendungsfälle, in denen Geräte autark arbeiten müssen, zum Beispiel in der Medizintechnik oder smarten Wearables. Energie aus Licht mit Solarzellen zu „ernten“ ist längst auch in großem Maßstab üblich. Bei direktem Lichteinfall in einer Außenumgebung ist dies auch eine hervorragende Energiequelle, wie die Grafik zeigt. Doch in anderen Einsatzumgebungen ohne direktes Sonnenlicht müssen andere Quellen wie mechanische Schwingungen oder elektro-magnetische Strahlung erschlossen werden, um Mikrokomponenten mit Energie zu versorgen oder aus einem verlustfreien Stand-by aufzuwecken (zero power stand-by).

Verschiedene Energiequellen aus der Umgebung (S. Boisseau et al., ‘‘Electrostatic conversion for vibration energy harvesting”, Small-Scale Energy Harvesting. (2012), pp. 91–134)
Schematischer Aufbau des MEMS-Energy-Harvesters
Harvester mit integrierten dreidimensionalen Magnetpartikelstrukturen
Funktionsprinzip der magnetischen Anregung und realisierter Messaufbau

Im Rahmen des Fraunhofer-Leitprojekts ZePowEl (Towards Zero-Power Electronics) werden am ISIT MEMS-Energy-Harvester zur piezoelektrischen Wandlung von magnetisch eingekoppelter mechanischer Energie entwickelt. Die patentierte PowderMEMS-Technologie des ISIT erlaubt dabei erstmalig die Integration dreidimensionaler Mikromagnete auf Wafer-Level. Die Permanentmagneten aus Neodym-Eisen-Bor ermöglichen eine kontaktfreie und langreichweitige Krafteinkopplung mit einer hohen Energieausbeute in einem kompakten Energy-Harvester. Das MEMS-Harvester-Design erlaubt dabei eine mechanische Anregung auch bei niedrigen Schwingungsfrequenzen. Zudem ist das Device bleifrei, da als piezoelektrische Materialien Aluminium-Nitrid (AlN) und Aluminium-Scandium-Nitrid (AlScN) verwendet werden.

 

Dank der magnetischen Anregung kann der Harvester sowohl rotatorische als auch lineare Bewegungen zum Ernten von mechanischer Energie nutzen. Mithilfe des gezeigten Messaufbaus werden die Harvester für eine Drehbewegung bei ihrer Resonanzfrequenz betrieben und charakterisiert. In Resonanz von mehreren hundert Hertz generiert der Harvester eine Leistung von bis zu 120 µW, aber auch niederfrequente Anregungen von 30 Hz konnten bereits genutzt werden.

 

 

 

Minhaz Ahmed untersucht die Aufweck-Fähigkeiten des Harvesters im Rahmen seiner Masterarbeit am ISIT.

Neben dem Ernten von Energie zum Betrieb von Mikrokomponenten ist auch der leistungsfreie Stand-by von Elektronik ein wichtiges Thema auf dem Weg zu grüner Mikroelektronik. Sensorknoten müssen häufig nur zu bestimmten Anlässen Daten sammeln, prozessieren oder senden. Der Harvester kann dabei als Aufweck-Empfänger dienen, der die Elektronik mit einem Spannungssignal aus dem Tiefschlaf erweckt, wenn sie benötigt wird. Die kontaktfreie magnetische Kraftkopplung ermöglicht dabei vielzählige mechanische oder elektro-magnetische Ereignisse als Aufwach-Event zu nutzen.

Eine weitere Leistungssteigerung des Bauteils ist möglich durch eine optimale Anpassung der magnetischen Anregung und des MEMS-Designs an spezifische Applikationen. Hinzu kommen die deutlich besseren piezoelektrischen Eigenschaften von AlScN, welche die Leistung des Devices noch zusätzlich steigern werden. Das Internet der Dinge kann weiter wachsen – wir machen es grün.

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