NeurOSmart - Sensoren lernen das Denken: Ein Interview mit Dr. Michael Mensing, Gruppenleiter Innovative Bauelemente am Fraunhofer ISIT

Interview /

Mit zunehmender Autonomie mobiler Robotersysteme steigt die Anzahl der Sensoren, der Aufwand zur Verknüpfung ihrer Daten und damit der Bedarf an Rechenleistung, um einen zuverlässigen und sicheren Echtzeitbetrieb zu realisieren. Die Skalierbarkeit der Architektur, eine hinreichende Übertragungsbandbreite zwischen Sensor und Datenverarbeitung und die Minimierung des Energiebedarfs sind die größten Herausforderungen für die Entwicklung von Hochleistungsrechnern, um sie in mobilen Systemen einsetzen zu können. Es wird prognostiziert, dass in weniger als 10 Jahren die erforderliche Rechenkapazität in der Sensorperipherie jener eines Supercomputers von heute entsprechen muss. Diese Anforderung kann nur durch eine Kombination spezifisch füreinander entwickelter Hard- und Softwarekomponenten erfüllt werden.

Dr. Michael Mensing | Fraunhofer ISIT

Würdest du dich und deine Tätigkeiten im Fraunhofer ISIT kurz vorstellen?  

Ich leite die Gruppe der Innovativen Bauelemente im Geschäftsfeld der Leistungselektronik am Fraunhofer ISIT. Zusammen mit meinen MitarbeiterInnen erforschen wir neuartige Bauelemente auf Basis von Galliumnitrid (GaN) und die Nutzung von piezoelektrischen sowie ferroelektrischen Materialien in der Elektronik. 

Mit der Social Media Kamapgne wollen wir den Begriff "MEMSification" einführen. Was verstehst du darunter?

Unter „MEMSification“ verstehe ich die Nutzung von Materialien und Prozessen aus dem klassischen MEMS-Fertigungsbaukasten für Anwendungen, die auf den ersten Blick nichts mit MEMS zu tun haben. Zwei Beispiele dazu:

  • Vor ein paar Jahren wurde am ISIT entdeckt, dass dotiertes AlN nicht nur piezoelektrisch sondern auch ferroelektrisch ist. Heute wird es neben in MEMS-Spiegeln und Lautsprechern auch in Transistoren genutzt, um ihnen programmierbare Eigenschaften zu geben.  
  • Während der Fertigung von neuartigen, vertikalen GaN-Transistoren müssen Membranen des Materials freigelegt und gehandhabt werden, die 20-mal dünner sind als ein menschliches Haar. In klassischen Elektronik-Reinräume ist dies nahezu unmöglich. In der MEMS-Fertigung ist dies Alltag.

Wie würdest du das neue Fraunhofer-Leitprojekt NeurOSmart in wenigen Worten beschreiben?

An NeurOSmart sind 5 Institute und weit über 50 Menschen beteiligt, die gemeinsam auf eine Vision hinarbeiten: Sensoren sollen das Denken lernen und dabei erheblich energieeffizienter sein als heutige Alternativen. 

Was war der Hauptgrund für die Entwicklung eines solchen Sensors und wie funktioniert er?

Die Motivation hinter dieser Entwicklung ist die massiv steigende Anzahl von Sensoren in autonomen Systemen und IoT-Geräten sowie der damit einhergehende, eskalierende Energiebedarf der damit verbundenen Datenverarbeitung. Bereits heute werden hierfür mobile Supercomputer genutzt, die gerade bei mobilen Endgeräten nicht praktikabel sind.

Hierzu wird exemplarisch ein Fraunhofer-LiDAR-System mit einer komplexen, neuromorphen Datenauswertung kombiniert. Das Besondere an neuromorpher – also vom Gehirn inspirierter – Hardware ist, dass sie mindestens 2 Größenordnungen weniger Strom braucht als aktuelle Computer. Der Trick ist, dass die Grenze zwischen Speicher und CPU/GPU-Berechnungen gebrochen wird und direkt im Speicher die Berechnungen für beispielsweise eine Objekterkennung in den Sensordaten durchgeführt werden kann. Neben der Energieeffizienz wird die Rechenhardware so kompakt, dass sie direkt in den Sensor integriert werden kann.

In welchen Bereichen kann man den Sensor anwenden?

Der in diesem Rahmen entwickelte Sensor wird in einer Kooperationszelle zwischen Menschen und Robotern eingesetzt und überwacht, dass sich beide bei der Handhabung von Werkstücken nicht in die Quere kommen. Solche Zellen werden beispielsweise in der robotergestützten Fertigung von Autos genutzt, damit die Arbeiter bei der Handhabung von besonders schweren Werkstücken entlastet werden. Grundsätzlich zielen wir aber darauf ab, das Prinzip auf nahezu beliebige Sensoren zu übertragen.  

Wie ist der aktuelle Stand der Entwicklung?

Das Projekt wurde im Januar begonnen. Aktuell entwickeln und fertigen wir die Sensorkomponenten. In parallel haben wir im vergangenen Monat das Konzept der Rechenhardware finalisiert und entwickeln nun die Komponenten. Ende kommenden Jahres sollten wir den ersten Prototypen fertiggestellt haben. Bei Ihm fehlen zwar noch ein paar Komponenten aber wir wollen ihn bereits zu diesem Zeitpunkt einer ersten Erprobung aussetzen, um Feedback aus der Anwendung zu erhalten.

Kannst du einen Ausblick für die Zukunft von MEMS-Anwendungen geben?

MEMS ist lebendig und stark im Wandel. Neue Materialien, Prozesse und Anwendungen sorgen für eine stetige Entwicklung, die nicht nur MEMSlern zugutekommt, sondern auch die Mikro- und Leistungselektronik mit innovativen Ideen versorgt. Gerade bei MEMS-Sensoren denke ich, dass diese immer intelligenter werden müssen, um mit der Zeit zu gehen.

 

Vielen Dank für das nette Interview, Michael!