Smart Cells – Batterien mit integrierter Sensorik zur Zustandsüberwachung

Moderne Batteriezellen, insbesondere Li-Ionen-Zellen, müssen hinsichtlich ihres Ladezustandes überwacht werden, um das Erreichen sicherheitskritischer Zustände zu vermeiden. Bei einem Überschreiten von Lade- oder Entladegrenzen z.B., droht eine Havarie der Zelle, die unter Umständen zu einer Zellzerstörung führt. Ähnlich Folgen kann auch eine zu hohe Temperatur, Zellbetrieb bei einer zu niedrigen Temperatur oder eine Ladung bzw. Entladung mit zu hohen Strömen haben. Bisher werden Li-Ionen-Zellen von einem elektronischen Überwachungssystem - dem Batterie-Management-System, BMS - gesteuert, das als Eingangsgröße insbesondere die Zellspannung verwendet, oftmals aber auch nur die Gesamtspannung mehrerer verschalteter Zellen („Module“).

Abbildung: Ausleseeinheit für den Einsatz von Temperatursensoren und Refernzelektroden.

Bei großen Zellen in anspruchsvolleren Anwendungen, insbesondere im Automotiv-Bereich, reicht diese Überwachung nicht mehr aus, weswegen man mehr und mehr zu einer Einzelzellüberwachung übergeht, bei der mehrere komplementäre Eingangsgrößen betrachtet werden. Hier spricht man von sog. „Smart Cells“ [1].

Das Fraunhofer-Institut ISIT beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Integration verschiedener Sensoriken unmittelbar am Zellkörper oder im Zellinneren. Hiermit möchten wir möglichst Echtzeit-Informationen über den Zustand der Zelle während des Betriebs erhalten. Mit Hilfe dieser Informationen kann das BMS unmittelbar den Betrieb der Zellen hinsichtlich Lebensdauer optimieren bzw. bei sicherheitskritischen Zellzuständen frühzeitig eingreifen kann.

Abbildung (Temperaturplatine): Layout der Sensorplatine. 

Insbesondere die Überwachung von Parametern im Inneren der Zellen verspricht hier einen großen Vorteil, da hier kritische Werte früher detektiert werden können als an der Außenwand der Batterie. Für eine erfolgreiche Integration von Sensorik ins Zellinnere müssen jedoch einige Punkte beachtet werden:

  • Die verwendete Sensorik muss gegenüber den Bedingungen im Zellinneren, insbesondere bezüglich des Elektrolyten, inert sein und darf werde mechanischen noch elektrischen Einfluss auf die Zelle haben.
  • Das Messsignal muss aus der Zelle herausgeführt werden können.
  • Die Sensorik darf die Abläufe in der Zelle nicht beeinträchtigen, da dies zusätzliche Zellalterung mit sich bringt.
  • Die Sensorik sollte möglichst klein und leicht sein.
  • Ebenso müssen Preis und Marktverfügbarkeit mit der potentiellen Anwendbarkeit korrelieren.

Trotz dieser Rahmenbedingungen gelang es am Fraunhofer ISIT unterschiedliche Sensoriken in Li-Ionen-Zellen zu integrieren. Diese können erfolgreich zur Charakterisierung der Zellen bzw. zum Monitoring des Zellbetriebs verwendet werden.

Abbildung (Temperaturplatine): „Spacerplatte“ zur Kompensation der Sensordicke.

Temperatursensorik

Einen wesentlichen Einfluss auf die Zellalterung – und die Sicherheit – hat die Temperatur in der Zelle. Temperaturen ab etwa 50°C führen zu einer allmählichen Zersetzung des Elektrolyten und damit zu Gasbildung und zum Anstieg des Innenwiderstand der Zellen. -Da die Wärmeentwicklung bei höherem Widerstand größer ist, hat man somit einen selbstverstärkenden Effekt, der die Lebensdauer der Zelle herabsetzt [2].

Somit ist die Überwachung der Zellinnentemperatur und auch der Temperaturverteilung in der Zelle eine wertvolle Information, um die optimalen Betriebsbedingungen zu finden. Leider ist die Innentemperatur der Zelle von außen nicht direkt zu messen. Ebensowenig die Temperaturverteilung, da die umhüllende Aluminiumfolie die Information verfälscht.

Um diesem Problem zu begegnen, wurde am ISIT ein Leiterplatine entwickelt [3,4], auf der bis zu 15 Temperatursensoren in die Zelle eingebracht und in Echtzeit ausgelesen werden können. Durch die Auswahl der Materialien konnte eine Beständigkeit des Systems unter den Bedingungen in der Zelle erreicht und nachgewiesen werden. Als mögliche Sensoren erwiesen sich sowohl NTC-Sensoren als auch Digitalsensoren als geeignet. Abbildung (Temperaturplatine) zeigt die Platine mit den Sensoren und der „Spacerplatte“ zum mechanischen Schutz. Hierdurch kann ein Mapping der Temperatur in einer Ebene des Zellinneren erreicht werden. Damit ist eine Art von „Temperaturtomographie“ während des Zellbetriebs möglich. Die Abbildung (Stack mit Platinen) zeigt einen Zellstack mit 2 Messplatinen. In Abbildung (Zelle mit Platine) eine vollständige Zelle mit dem Anschluss einer Zellplatine. Die Abbildung (Messwerte) zeigt den Temperaturverlauf während eines Lade-/Entladezyklus von 2C an den unterschiedlichen Sensoren einer Messplatine. Eine Begrenzung dieser Technologie ergibt sich dadurch, dass die Dicke der Platinen + Sensoren im Bereich mehrerer Elektrodenlagen liegt, d. h. es kann immer noch nicht direkt in den einzelnen Elektrodenschichten gemessen werden.

Obere Abbildung (Stack mit Platinen): Zellstapel aus 10 Bicell-Lagen mit 2 Sensorplatinen zur Temperaturmessung.

Untere Abbildung (Zelle mit Platine): Zelle mit integrierter Sensorplatine zur Temperaturmessung.

Referenzelektroden

Die zwischen den Ableitern der Zelle gemessene Zellspannung gibt Informationen über Spannung der gesamten Zellen, ist aber kein eindeutiges Maß für das an den einzelnen Elektroden herrschende elektrochemische Potential. Somit ist es z.B. möglich, dass die gemessene Zellspannung zwar noch einen unkritischen Wert hat, die Anode sich aber bereits in einem sicherheitskritischen Bereich befindet. Abbildung (Potentialverhältnisse) verdeutlicht dieses Phänomen. Unterschreitet das Potential an der Anode beim Laden 0V gegen Li/Li+, so scheidet sich Li-Metall ab, was zur Bildung von Li-Dendriten im Zellinneren und letztendlich zum internen Kurzschluss führt. Dieses mussverhindert werden, da es sonst zur Zellhavarie kommt. Auch ein Überschreiten des maximalen Entladepotentials an der Kathode kann zu einer Zersetzung des Elektrodenmaterials führen.

Zur Direktbestimmung der Elektrodenpotentiale werden am Fraunhofer ISIT Referenzelektroden verwendet die unabhängig von der Batteriezelle ein stabiles Potential aufweisen. Auf dieser Basis wurde ein für die Technologie der Li-Ionen-Zellen passender Integrationsprozess entwickelt: Eine Li-Titanat Referenzelektrode wird neben dem Zellkörper mit dem Separator verbunden (z.B. mittels der am ISIT verwendeten Laminationstechnologie). Die Abbildungen (Stack mit Ref) und (Zelle mit Ref) zeigen eine unverpackte bzw. fertige Zelle mit Referenzelektrode.   Das so entwickelte System von mit Referenzelektroden ausgestatteten Li-Ionenbatterien wurde hier auch patentiert [5]. 

In Abbildung (Li-Plating) ist der Verlauf der Zellspannung und der Elektrodenpotentiale einer Zelle zu sehen, bei der durch des Anodenpotential Li-Plating detektiert wird. Das abgeschiedene Lithium kann in der mikroskopischen Post-Mortem-Aufnahme erkannt werden.

Obere Abbildung (Stack mit Ref): Unverpackte Zelle mit Referenzelektrode.

Untere Abbildung  (Zelle mit Ref): Fertige Zelle mit integrierter Referenzelektrode.

Auslese- und Auswerteeinheit

Der Einsatz der Sensorik erfordert eine angepasste Ausleseelektronik, die das Signal der Sensoren in Echtzeit verfolgt und verarbeitet sowie an das BMS weitergibt. Für die kombinierte Nutzung der Temperatursensorik und einer Referenzelektrode wurde ein Auslesesystem (Hard- und Software) entwickelt, aufgebaut und im Betrieb getestet. Somit steht eine Gesamtlösung Sensor+Ausleseeinheit zur Verfügung.

Abbildung (Potentialverhältnisse): Darstellung der Spannungslagen in einer Li-Ionen-Zelle; Werden die beiden Elektrodenpotentiale gleichzeit zu hohen oder tiefen Werten verschoben (z.B. Zu hohe Lade-/Entladeströme oder Betrieb bei zu tiefen Temperaturen), so kann Eine Grenzspannung überschritten werden, ohne dass die Zellspannung im abnormalen Bereich läge.

Erste Abbildung (Messwerte): Temperaturverlauf an den Sensoren einer Sensorplatine während einer 2C Ladung/Entladung. 

Zweite Abbildung  (Messwerte): Korrespondierenden Zellspannungs- und Stromverläufe (unten). Die Platine befand sich in der Mitte einer Zelle mit 10 Bicell-Lagen.

Dritte Abbildung (Potentialverhältnisse): Darstellung der Spannungslagen in einer Li-Ionen-Zelle; Werden die beiden Elektrodenpotentiale gleichzeit zu hohen oder tiefen Werten verschoben (z.B. Zu hohe Lade-/Entladeströme oder Betrieb bei zu tiefen Temperaturen), so kann Eine Grenzspannung überschritten werden, ohne dass die Zellspannung im abnormalen Bereich läge.

Abbildung (Li-Plating): Verlauf der Zellspannung und der Elektrodenpotentiale während eines 1C-Zyklus (links); Post-mortem Aufnahme der Anode nach dem Zyklisieren.

Literatur:

[1] K. Edström, S. Perraud, et.al., Battery2030+ Roadmap

[2] Dirk Uwe Sauer: Alterung von Lithium-Ionen-Batterien - Auswirkungen und Wirkmechanismen, CTI Symposium Berlin, December 2017

[3] S. Rindelaub, master thesis, “Entwicklung eines Werkzeugs zur Temperaturtomographie einer Li-Ionen-Pouchzelle“, Fachhochschule Westküste, 2021.

[4] Reinhard Mörtel, Julian Franz, Simon Rindelaub, Charles Wijayawardhana, Eivind Langnes, Alexandra Burger, Andreas Würsig, Axel Muller-Groeling Smart Cells - Battery monitoring via internal sensors; 2022 IEEE 13th International Symposium on Power Electronics for Distributed Generation Systems (PEDG) DOI:10.1109/PEDG54999.2022.9923167

[5] C. Wijayawardhana et al, "Electrochemical Cell Based on Lithium Technology with Internal Reference Electrode, Process for Its Production and Methods for Simultaneous Monitoring of the Voltage or Impedance of The Anode and The Cathode Thereof", EP2442400.

Weitere Leuchtturmprojekte 2023

Diese Forschungsprojekte hatten für das ISIT in 2023 eine besondere Bedeutung

 

PowerCare

 

ForMikro - SALSA

 

IPD-GLAS

 

Super-HEART