von Dr. Björn Gojdka

Disruptive Technologie für die nächste Generation von Mikrosystemen

Dank eines innovativen Integrationsverfahrens können am ISIT neuartige Mikrokomponenten für vielzählige Anwendungen erzeugt werden.

„Dreidimensionale Strukturen in Mikrosysteme zu integrieren war bislang kaum möglich“, erklärt Dr. Thomas Lisec, der Erfinder des neuen Verfahrens. „Mit unserem neuen Prozess verfestigen wir vielzählige pulverförmige Materialien mit Nanometer dünnen Schichten in Mikrobauteilen zu stabilen Strukturen. So erlangen wir ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten für eine Vielzahl von Anwendungen“, so Lisec.

Der Erfinder des pulverbasierten Integrationsverfahrens Dr. Thomas Lisec (rechts) und der Leiter der Gruppe Agglomerierte Mikrosysteme Dr. Björn Gojdka untersuchen eine poröse Mikrostruktur für ein Lab-on-a-Chip System.

Zwar gibt es auch andere Möglichkeiten, dreidimensionale Strukturen zu erzeugen, beispielsweise  Sintern oder polymerbasierte Binder, aber sie haben jeweils entscheidende Nachteile. So werden beim Sintern keramische Pulver bei hohen Temperaturen verfestigt. In der Regel würden die notwendigen Sintertemperaturen jedoch Mikrosysteme zerstören, in die eine Struktur integriert werden soll. Bei den polymerbasierten Verfahren werden Pulver in Bindemittel eingebracht und anschließend ausgehärtet. In diesem Fall überstehen die Polymere weitere Bearbeitungsschritte aufgrund der nötigen Temperaturen nicht. Zudem sind die Polymerkörper nicht porös, so dass es nicht möglich ist Gase oder Flüssigkeiten durch die Strukturen zu leiten.

Beim Verfahren des ISIT wird das Pulver in Formen verfüllt, die in Siliziumwafer geätzt sind. Dann wird das Pulver mittels Atomlagenabscheidung verfestigt. Dabei durchdringen gasförmige Vorstoffe, z.B. Wasser und Trimethylaluminium (TMA), die Zwischenräume des losen Pulvers und bilden um die einzelnen Partikel ein festes Skelett. Nach der Verfestigung kann die umliegende Form ganz oder teilweise entfernt werden. So entsteht eine freistehende dreidimensionale Struktur. Der Prozess läuft bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen ab, so dass er Mikrosystemen nicht schadet. Auch ist der verfestigte Körper temperaturbeständig und kann mikrotechnologisch weiterbearbeitet werden. Der Clou: Obwohl die Wafer mit losem Pulver verunreinigt wurden, können sie dank einer geschickten Bearbeitung nach der Verfestigung im Reinraum weiterbearbeitet werden. So können dreidimensionale Strukturen integriert und anschließend das Mikrosystem im Reinraum weiterprozessiert werden.

Untersuchung von Mikromagneten mit dem Rasterelektronenmikroskop: Links ist Neodym-Eisen-Bor-Mikropulver (NdFeB) in Formen mit einer Kantenlänge von 100 µm verfüllt. Mitte: Nach der Verfestigung und der Entfernung des Siliziums sind freistehende Mikromagnete erzeugt. Je nach Spannung des Elektronenmikroskops kann man die Hülle oder das poröse innere der Struktur sehen. Rechts: Bei weiterer Vergrößerung sind die einzelnen NdFeB-Partikel zu erkennen, die von einer Aluminiumoxid-Schicht umgeben sind.

Zum Einsatz kommt das Verfahren bereits bei der Entwicklung eines DNA-Konzentrators für einen medizinischen Schnelltest und zur Erzeugung von Mikromagneten in einem Energy Harvester, der Schwingungsenergie aus der Umgebung in elektrische Energie umwandelt. Dank der großen Materialauswahl, der geometrischen Gestaltungsfreiheiten und der porösen Struktur sind jedoch noch vielfältige weitere Anwendungen wie Mikrofilter, magnetische Antriebe und Sensoren oder Wärmeisolierungen in Mikrosystemen möglich.

Aufgrund des breiten Innovationspotenzials der Technologie ist am ISIT eigens die Gruppe Agglomerierte Mikrosysteme gegründet worden. Sie hat zum Ziel mit dem pulverbasierten Integrationsverfahren neue Anwendungen zu erschließen und innovative Mikrosysteme zu realisieren. Der Leiter der Gruppe Dr. Björn Gojdka resümiert: „Die Technologie hat großes Innovationspotenzial für die Mikrosystemtechnik. Um die vielzähligen Applikationsmöglichkeiten überhaupt überschauen und demonstrieren zu können, müssen wir uns stark national und international vernetzen. Daher bauen wir derzeit weltweit Kooperationen auf.“